Das Coronavirus und das Herz

Zu Beginn wurde Covid-19 vor allem als eine Erkrankung der Atemwege angesehen, allerdings häufen sich die Daten, dass das neuartige Coronavirus auch Herz und Kreislauf schwer schädigen kann. Eine erhöhte Zurückhaltung in der Bevölkerung Arztbesuche zu tätigen, steigert das Risiko von schweren Verläufen zusätzlich.

Maximale Belastung für das Herz

Covid-19 kann zu einer Lungenentzündung führen und das in besonders ausgeprägter Form, denn oft sind beide Lungenflügel mit Flüssigkeit gefüllt. Infolge dessen verengen sich die Lungengefäße. Dadurch wird der Körper mit weniger Sauerstoff versorgt und die rechte Herzhälfte, die Blut durch die Lunge pumpt, wird stärker belastet. Zudem kann eine durch Covid-19 verursachte Lungenentzündung mehrere Wochen andauern.

Sollte der Krankheitsverlauf künstliche Beatmung erfordern, bedeutet das die maximale Belastung für das Herz – im Besonderen für die rechte Herzhälfte, da es zu erhöhtem Druck und Widerständen im kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) kommt. Dies stellt eine besondere Herausforderung für das Herz-Kreislauf-System dar und steigert dadurch das Risiko für einen Herzinfarkt oder eine Herzschwäche.

Patienten vermeiden Arzt-Besuche selbst bei Herzinfarkten

Covid-19 provoziert indirekt, dass Patienten Arztbesuche und Notaufnahmen – selbst bei schwerwiegenden Ereignissen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen meiden, um einer möglichen Infektion aus dem Wege zu gehen. Dieser Effekt tritt verstärkt bei Herzpatienten auf, da mittlerweile bekannt ist, dass ein schwerer Verlauf von COVID-19 insbesondere bei diesen Patienten wahrscheinlich ist. So warnt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) Prof. Dr. med. Martin Scherer im Gespräch mit der Ärztezeitung1, dass sich die Versorgung von Herz-Kreislauf Patienten verschlechtern könnte. Mit Blick auf China und eine dort veröffentlichte Studie2 führt er aus, dass die Behandlung von ST-Hebungs-Infarkten leiden würde, obwohl diese im EKG sichtbar sind. Vor der Coronavirus-Pandemie (2018 – 2019) lag die Zeit zwischen ersten Infarkt-Symptomen und dem ärztlichen Erstkontakt im Schnitt bei 82 Minuten. Ab Januar 2020 erhöhte sich diese Zeit in China auf 318 Minuten – eine beinahe Vervierfachung des Zeitraums bis Patienten Versorgung in Anspruch nehmen. Bei einer Erkrankung, bei der es auf jede Minute ankommt (siehe Goldene Stunde) ist diese Entwicklung besorgniserregend.

 

 

Herzmuskelentzündungen durch Covid-19

Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass es sich bei Covid-19 ausschließlich um eine Lungenerkrankung handelt, die zu einer Pneumonie führt. Bei Untersuchungen von Gewebeproben im Universitätsspital Zürich fiel Pathologen allerdings auch auf, dass die Patienten auch an einer Entzündung des Endothels litten, die verschiedene Organe betraf3. Das Endothel ist eine Zellschicht, die eine Art Schutzschild in den Gefäßen bildet und verschiedene Prozesse in den Mikrogefäßen regelt. Werden diese Prozesse gestört, kann es zu Durchblutungsstörungen in den Organen oder dem Körpergewebe kommen, die zum Zelltod und damit zum Absterben der Organe oder dem Gewebe führen.

Die Forscher schlossen darauf, dass das Virus nicht nur eine Lungenentzündung auslöst, sondern direkt eine systematische Endotheliitis4, eine Entzündung des gesamten Endothels im Körper, die alle Gefäßbetten erfasst – auch die Herzgefäße. Das hat fatale Folgen, da schwere Mikrozirkulationsstörungen entstehen, die das Herz schädigen und durch Multiorganversagen bis zum Tod führen können.

Mehrere Fallberichte zeigen, dass ein Verlauf dieser systematischen Endotheliits auch zu einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) führen kann. Betroffene fühlen sich oft schwach und kurzatmig oder verspüren gar starke Brustschmerzen bis hin zu Herzstolpern. Myokarditis kann zu Herzrhythmusstörungen oder einem Herzstillstand führen.

Störung der Blutdruckregulation

Beim Angriff auf den Körper docken sich die Covid-19 Viren an das wichtigste Regulationssystem des Blutdrucks an: die ACE2-Rezeptoren. Eigentlich sorgen ACE2-Rezeptoren dafür, dass Stoffe abgebaut und Gefäße eng gestellt werden, um dadurch den Blutdruck zu erhöhen. Dockt nun ein Virus an, verliert die Zelle den Rezeptor und die Regulationsfunktion geht verloren.

Das Thema steht allerdings aus einem anderen Grund in der Diskussion: In Deutschland nehmen rund 16 Millionen Menschen täglich sogenannte ACE-Hemmer ein, um den Blutdruck zu senken, um genau in dieses System einzugreifen. Daher sind sowohl günstige als auch ungünstige Folgen denkbar. ACE-Hemmer könnten theoretisch durch die Bindung an ACE2-Rezeptoren den Viren den Eintritt in die Zellen erschweren und damit die Erkrankung abschwächen. Möglicherweise kann die Einnahme von Medikamenten aber auch dazu führen, dass die Anzahl der ACE2-Rezeptoren auf der Zelloberfläche steigt. Derzeit ist der Einfluss von ACE-Hemmern auf den Verlauf von Covid-19 noch völlig unklar. Weltweit sind sich kardiologische Fachgesellschaften allerdings darüber einig, dass Patienten ihre Medikamente auf keinen Fall absetzen sollten.

Störung der Blutgerinnung

Laborwerte von Patienten mit schweren Covid-19 Krankheitsverläufen weisen darauf hin, dass die Blutgerinnung deutlich rascher stattfindet, als es gewöhnlich der Fall wäre. Während die Blutgerinnung normalerweise dafür zuständig ist, verletzte Gefäße schnell abzudichten, kann es bei Covid-19 Patienten dazu führen, dass wichtige Blutgefäße verstopft werden – etwa in der Lunge. So wurde bisher bei einem Drittel der intensivpflichtigen Covid-19 Patienten eine tiefe Beinvenenthrombose oder eine Lungenembolie beobachtet.

 

Quellen: Ärztezeitung "Gibt es wegen SARS-CoV-2 mehr tödliche Herzinfarkte?"